deutscher landschaftsarchitekturpreis 2021

E s s a y

niert, weil auch der Alltag auf der Arche eine Rolle spielt. Da ist zu sehen, wie die Tiere gefüttert werden oder auch wie Noahs Frau und die Schwie gertöchter Wäsche aufhängen. An so etwas hatte ich vorher gar nicht gedacht. Aber es gibt ein Bild, auf dem die zurückgebliebene Tiere langsam aber sicher in den Fluten versinken. Das musste ich bei meinen Kindern immer ganz schnell überblättern. So grausam: Tiere und natürlich auch Menschen ertrinken. Wenn wir Gott nun menschlich sehen, gereut es ihn nach der biblischen Erzählung selbst, Verur sacher von so viel Leid zu sein. Denn am Ende der Erzählung schließt Gott einen Bund mit Noah und erklärt: „Ich will hinfort nicht mehr die Erde ver fl u chen um der Menschen willen; denn das Dichten und Trachten des menschlichen Herzens ist böse von Jugend auf.“ (1.Mose 8,21) Gott weiß also um das Versagen der Menschen und gibt dennoch die bleibende Zusage: „Solange die Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht“ (1. Mose 8,22). Und dann folgt der Bund mit Noah, der mit dem Regenbogen besiegelt wird: „Und Gott segne te Noah und seine Söhne und sprach: Seid frucht bar und mehret euch und füllet die Erde. Furcht und Schrecken vor euch sei über allen Tieren auf Erden und über allen Vögeln unter dem Himmel, über allem, was auf dem Erdboden wimmelt, und über allen Fischen im Meer; in eure Hände seien sie gegeben. Alles, was sich regt und lebt, das sei eure Speise; wie das grüne Kraut habe ich’s euch alles gegeben.“ (1. Mose 9, 1–3) Für Judentum wie Christentum bleibt die Verantwortung dieser biblischen Aussagen: Er mutigung zur Nachkommenschaft, Verantwortung für das Land und das Vieh sowie Erlaubnis zum

Fleischverzehr. Mir ist wie gesagt sehr bewusst, dass die Frage der Nachkommenschaft ambiva lent ist. Die steigende Bevölkerungszahl weltweit bringt eine bedrohliche Situation für den ganzen Globus mit sich. Das ist ein großes Thema, das ich hier nicht bearbeiten möchte, aber durchaus relevant ist. Denn es sind oft die Religionsgemein schaften, die Frauen Zugang zu Verhütungsmitteln verweigern. Fassen wir den kleinen theologischen Exkurs zusammen: Auch nach der Zeit des Paradieses, auch nach der Sint fl ut gibt es Verantwortung für das Bebauen und Bewahrung des Landes. Und eine Tierhaltung, die Respekt vor der Kreatur hat, ist biblisch geboten. Wir sind mit dem verantwort lichen Umgang der Schöpfung beauftragt. Der Re genbogen ist Symbol dafür, dass Gott die Erde nicht zerstören wird. Zu einem Bundesschluss aber gehören zwei. Die Frage ist, ob die Menschen ihren Anteil am Bund aufrechterhalten oder versa gen, indem sie die Schöpfung gnadenlos ausbeuten und nicht für nachfolgende Generationen erhalten.

Schöpfungsbewahrung als Auftrag

In der Theologie hat das Thema Schöpfung vor dem 20. Jahrhundert nur selten eine relevante Rolle gespielt. Der wohl bekannteste und erste Theologe, der Schöpfungsbewahrung im Mittelal ter zu seinem Leitthema gemacht hat, war Franz (auch Franziskus) von Assisi, der 1182 bis 1226 lebte. Er verehrte die Natur, liebte sie als Gottes Schöpfung. Sonne und Mond waren ihm Bruder und Schwester. So heißt es in seinem berühmten Sonnengesang:

12

Made with FlippingBook Annual report maker